Samstag, 26. November 2011

"Oh, wie schön ist Panama"


unser Zuhause für die nächsten 30 Tage


Oh ja, das wollen Kirsten und ich vor Ort erkunden und buchten schon vor über einem Jahr eine Frachterreise, die dann immer wieder verschoben wurde. Die Wirtschaftskrise wirbelte die Fahrpläne der Frachtschiffe durcheinander und so dauerte es bis zum Mai 2011, bis unsere Terminplanungen zueinander passten. Unsere nette Christina Horn von „Frachtschiffreisen Internaves“, die uns unermüdlich bei der passenden Terminsuche begleitete und immer wieder die Zeiten neu koordinierte, wünscht uns noch „eine schöne Reise“ und morgen, am 8.5. geht es endlich los. Wir freuen uns riesig – auf Seefahrt und große weite Welt. Am 11.5. sollen wir in Genua/Italien auf das Containerschiff „ZIM ONTARIO“ einsteigen, das 275 m lang ist und ca. 4850 Standardcontainer (20ft) tragen kann. SIE (ja, alle Schiffe sind weiblich) soll uns in 30 Tagen über Tarragona/Spanien, die Straße von Gibraltar, den Atlantik bis Halifax/Kanada, New York und Savannah/USA, Kingston/Jamaika und endlich durch den PANAMA-KANAL über den Pazifik bis nach Long Beach/Kalifornien schaukeln (hoffentlich nicht zu dolle!). Von da an wird sie dann ohne uns weiter“segeln“.
Heute schnuppern wir schon mal ein bisschen „große weite Welt“ bei Traumwetter auf dem 822. Hamburger Hafengeburtstag, dem maritimen Groß-Ereignis überhaupt. Für unseren Kapitän auf der „ZIM Ontario“, deren Heimathafen Hamburg ist, erstehen wir noch ein Lebkuchenherz mit entsprechendem Schriftzug, nicht so einfach im Gepäck „bruchsicher“ zu verstauen. Apropo „Gepäck“, auch ohne das „Herz“ mal wieder ganz schön „gewichtig“! Reisetaschen ca. je 30 kg, Rucksäcke noch mal je 7! Und jetzt geht’s weiter im bewährten „Logbuchstil“.


7.5. noch Hamburg
Immer noch Superwetter, 25°C. 1 Million Menschen strömen über die Landungsbrücken. Der Umsatz an den Freß- und Trinkbuden muß gigantisch sein. Wir wollen gerne das „Schlepper-Ballett“ ansehen, aber: keine Chance! Keine Lücke zu finden, durch die man auch nur das Wasser, geschweige denn die Schlepper sehen könnte. Wir beschließen, es uns im Fernsehen heute Abend anzusehen, unser Zug Richtung Genua kommt kurz nach Mitternacht.

 
8.5. Hamburg Hbf


gut gelaunt warten wir auf den Nachtzug

Der Nachtzug nach Basel kommt pünktlich. Kabine 6, Schlafplätze 42 + 46, liegt im „Keller“. Standardklasse. Im teureren “ersten Stock“ ist der Platz großzügiger bemessen, aber wir kriegen alle Taschen irgendwie verstaut. Nun kann man allerdings in der Kabine auf der unteren Koje nur mit eingezogenem Kopf sitzen und der Fußraum ist durch Gepäck belegt. Also ziehen wir mit unseren „Piccolos“ 5 Stufen hoch in den engen Gang vor den Kabinen, um auf unsere Abenteuerreise anzustoßen. Na, das fängt ja gut an, der Verschluß der Flasche lässt sich drehen und drehen und drehen, aber er löst sich nicht vom unteren Teil. Ein junger Mann mit Bierflasche in der Hand quetscht sich vorbei und fragt nach dem nächstliegenden Klo. Wir kämpfen weiter mit unserem Verschluß, aber auch mein Mini-Taschenmesser bringt außer einer Schnittwunde bei Kirsten keinen Erfolg. Unser Blondschopf mit Bierflasche kommt zurück und meint, wir sollten vielleicht mal einen Mann machen lassen. Na, eigentlich …, aber lassen wir es ihn doch probieren! Probieren ist jedoch nicht sein Ding. Er macht nicht viel Federlesen, haut mit meinem Taschenmesser ein großes Loch in den Schraubverschluß und: voilà! Schlaftrunk gesichert.
Die Nacht ist noch etwas unruhig. Der Zug rüttelt und schüttelt sich und wir in den Kojen vibrieren mit. Früh um 8 Uhr geht unser Wecker und scheinbar ist das bei den meisten Reisenden so, obwohl wir erst um 10.30 Uhr in Basel sein sollen. Die Stewardess kommt gar nicht nach mit dem Abklappen der oberen Koje, um Sitzplatz für das Frühstück zu schaffen. Das lässt sich nämlich nur mit ihrem General-Schlüssel bewerkstelligen. Da ist es dann doch gut, dass noch so viel Zeit bis Basel ist.
1 ½ Stunden Aufenthalt in Basel, das Bahnhofscafé nimmt auch Euros. Dann geht’s weiter Richtung Mailand. Sonne, blauer Himmel, weiße Schäfchenwolken und auf den Bergspitzen noch Schneehauben. Wunderschöne Landschaft zieht an uns vorüber. Majestätische Berge, malerisch der Lago Maggiore, idyllische Dörfer bringen Urlaubsfeeling. 16.38 Ankunft auf dem dreckigen Riesenbahnhof Milano bei Tropenklima. Der Anschluß-IC nach Genua stammt optisch aus Vorkriegszeiten und ist nur mit einem schweißtreibenden Spurt vom westlichsten zum östlichsten Gleis noch zu erreichen. Mailand ist noch zu toppen, stellen wir in Genua fest, kein Lift, keine Rolltreppen. Bedeutet: 30-kg Koffer + 7-kg-Rucksack nicht nur runter in die Unterführung, sondern auch wieder rauf auf Straßenniveau zu schleppen! Immerhin gibt es einen Info-Schalter, bei dem wir die Taxipreise erfragen wollen, um Abzocke zu vermeiden. Doch: Achselzucken, „Driver fragen“. Der zuckt auf unsere Frage nach dem ungefähren Fahrpreis in die Innenstadt die Achseln und zeigt kommentarlos auf seinen Taxometer. Was kann man tun? Wir bezahlen „nach Taxometer“ 20 € am ziemlich nahen Hotel „NH Plaza“. Aber das Hotel ist ok und die Matratzen sehr gut. Wir schlafen wunderbar, wozu sicher auch der lange Tag beiträgt.



9.5. Genua/Italien
25°C, blauer Himmel. Schönstes Wetter, um die 640.000 Einwohner-Stadt zu erkunden. Es gibt viel zu sehen an Kultur und besonders Architektur. Trotz Rast zwischendurch bei Pizza und Foccachia (mein favourite, ein superduper leckeres Brot) kommen wir mit runden Füßen zurück. Aber die Altstadt hat uns begeistert, das wird morgen noch einmal unser Hauptziel sein. Nur werden wir uns dann von den Nebengassen fernhalten, da hatten wir uns heute in das St. Georg Genuas verlaufen. Allerdings lächelten uns die „Ladies of the nite“ freundlich zu. Keine Konkurrenz! Übermorgen, am 11. soll die „ZIM Ontario“ nun am VTE, dem Volti-Container-Terminal Europe anlegen, finden wir nach schwierigen Telefonaten mit dem nicht sehr hilfreichen Agenten Signor Fossi heraus. 15 km von der Piazza Corvetto entfernt, wo unser Hotel liegt. Da werden die Taxikosten ja wohl astronomisch sein. Im Gegensatz zum Taxifahren ist die Benutzung von Bus und Bahn hier sehr günstig. 100 min. kann man hin- und herfahren, aus- und wieder einsteigen für nur 1,50 €.


in der Genua Altstadt 


noch einmal Genua Altstadt in
der Nähe unseres Hotels


und überall Sicherung vor Einbruch


10.5. immer noch Genua
Der Altstadtbummel lohnt sich wirklich mehrfach. In der Via Garibaldi liegt ein wunderschönes Palazzo neben dem anderen. In einem solchen Prachtbau residiert z.B. auch unsere „Deutsche Bank“. 50 dieser Paläste reicher Genueser Familien sind in unserem Stadtplan allein in der Altstadt aufgeführt. Wir wandern bis zum „Alten Hafen“. Dort steigen wir in der sich um einen Mast drehenden Kabine des „Bigo“, dem einem Ladebaum nachempfundenen Wahrzeichen Genuas, hoch über die Dächer und den Hafen auf. Ein wunderbarer Panoramablick. Unseren letzten Abend lassen wir ausklingen in einem kleinen Straßencafé um die Ecke unseres Hotels zwischen einheimischen jungen Leuten, es ist laut aber nett,eben typisch italienisch.


der Blick vom "Bigo" auf den Hafen


und auf die Stadt


11.5. Volti-Terminal-Europe/Genua
Um 14 Uhr bringt uns ein Taxi zum VTE. Fahrpreis? Ein Wunder:
25€! Hier warten wir dann mit einem weiteren Passagier, Werner aus Tirol, geschlagene 4 ½ Stunden auf die „ZIM Ontario“, was nicht an der Schiffsführung liegt, wie wir später erfahren, sondern an dem unfähigen oder nur ungezogenen Agenten Signor Fossi. Aber dann können wir endlich an Bord. Die netten Filipinos schleppen unser schweres Gepäck ohne sichtbare Anstrengung erst die steile Gangway und dann die Treppen bis zum F-Deck hoch. Kein Fahrstuhl! Wir sind froh, nur uns selbst nach oben bewegen zu müssen. Relativ locker, denn dank der Treppen, die ich zu Hause auch mangels Fahrstuhl bewältigen muß und Kirsten in Hamburg trotz Fahrstuhl meistens freiwillig bewältigt, sind wir ja ganz gut in Form. Aber ich werde die Stufen demnächst zählen. In der Offiziersmesse leistet uns der Kapitän noch beim Abendessen Gesellschaft, das uns Jun, unser Filipino-Steward serviert. Zu Peter Hoffmann, dem Kapitän, hätte ein Lebkuchen-Herz mit „Berliner Bär“ drauf besser gepasst, daher stammt er nämlich. Wir kriegen eine kurze Einweisung und dann packen wir erstmal aus und richten uns in unserem großen Apartment häuslich ein. Wohnraum, Schlafraum und Bad. Super.


die steile Gangway, vorne rechts im
grünen T-Shirt Werner





unser Wohnraum - vom Feinsten


und die fleißige Autorin bei der Arbeit


12.5. Ablegen nach Tarragona/Spanien
Obgleich die Kojen gut sind und der Kapitän uns noch eine Flasche Wein bringen ließ, schlafen wir nicht so gut. Die Klimanlage pustet nur sehr kalte Luft und es rumpelt bis in die oberen Decks, wenn die Kräne die Container in die Luken setzen (hört sich eher nach „fallen lassen“ an).
Frühstück gibt’s ab halb acht, da lernen wir noch die anderen Passagiere kennen, ein amerikanisch/englisches Ehepaar mit Wohnsitz in Spanien, die uns nach zweiwöchiger Mittelmeer-Rundreise im nächsten Hafen Tarragona aber schon wieder verlassen und eine Kanadierin, die seit Halifax/Nova Scotia an Bord ist und dort am 21. wieder aussteigen wird. Der Erste und der Chief erscheinen auch, aber stellen sich nicht vor oder wollen uns nicht beim Frühstück stören. Wohl das letztere, denn sie sind sehr nett, finden wir später heraus. Unser Filipino-Steward Jun freut sich, dass wir anbieten, ihn etwas zu entlasten und unsere Kojen selbst zu bauen. Wir haben ja viel Zeit ab jetzt.
Das Ablegen verzögert sich. Aus 10 Uhr wird 12.30 Uhr, aber dann geht’s wirklich los. 2 Schlepper ziehen uns von der Pier, bugsieren uns auf Kurs und der Lotse kann schon nach 200 m von Bord gehen. 
Vor uns liegt die offene See. Tiefgang zur Zeit: ca. 11 m. Voll beladen können es 13 m werden. 16 Uhr steht ein Sicherheitsrundgang für uns 3 Neuen mit dem philippinischen 2. Offizier an. Deutsch sind nur Captain, Chiefmate, Chief und 2.Ing.. Wir amüsieren uns bis dahin an Deck in einer Art Laube mit Bridge am Computer (ich) und Mittagsschlaf (Kirsten). Das philippinische  Englisch des 2.Offz. ist gewöhnungsbedürftig, aber alle geben sich Mühe und die wichtigsten Punkte, z.B. was tun bei Feueralarm und wo sammeln im Seenotfall, kriegen wir hin.
Abends bringt der Kapitän noch höchstpersönlich einen Heizlüfter vorbei. Kirsten ist erkältet und wärmebedürftig. Wir spielen in unserem gemütlichen Apartment noch ein bisschen Rummikab und gehen für unsere Verhältnisse früh zu Bett um 23 Uhr. 6.30 Uhr Aufstehen, 7.30 Uhr Frühstück, 10 Uhr Anlegen in Tarragona. Da wollen wir natürlich an Deck zusehen.


Freitag, der 13., Tarragona
Kein Unglückstag in Spanien, sagen Alan und Elizabeth, da ist es Dienstag, der 13.. Unsere Ankunftszeit hat sich auf 13 Uhr verschoben. Ich setze mich mit meinem Gartenstuhl bis zum Mittagessen auf das G-Deck vor unsere „Laube“. Sonne, etwas diesig, glatte See. Chance, Delphine zu sehen, aber nur ein alter Fender treibt vorbei und ein paar Möwen begleiten uns die letzten Meilen bis zum Festland. Kirstens Husten und   
Schnupfen wird allmählich besser. Um 13 Uhr Landgang bis zum nächsten Morgen. Das werden wir sicher nicht ausnutzen. Der
Agent nimmt uns mit zum Gate. Von dort rufen wir ein Taxi in die Altstadt. Werner, unser Tiroler, hat einen Tretroller   
dabei, hm. In der „Rambla Nova“ trennen wir uns. Viele hübsche enge Gassen entlang der Stadtmauer aus iberisch römischer Zeit, die aus dem 12. JH stammende romanische Kathedrale mit gotischer Fassade, die allerdings momentan eingerüstet ist und restauriert wird, die Anlage eines Amphitheaters aus römischer Zeit und den Yachthafen mit angrenzendem Strand, wo schon fleißig gebadet wird, sehen wir uns aus dem Touristen-Bähnle an, um unsere Füße zu schonen. Anschließend gönnen wir uns auf dem „Plaza de la Font“, dem „Brunnenplatz“, ein großes Eis und nach weiteren 4 Stunden Stadtwanderung rauf und runter bei der Hitze sind wir fix und alle und fahren zurück zum DP World Terminal. Obwohl wir zu spät dran sind, unser Jun hat noch nicht abgeräumt und wir bekommen sogar noch ein Abendessen.


 die alte Kathedrale


ein ganz besonderes Haus,
alle Figuren nur an die Wand gemalt

In der Abendsonne schauen wir zu, wie der Kran die „Kisten“ vom Achterdeck holt und mit ihnen 2 m von uns entfernt zu den bereitstehenden Transportwagen rauscht. Ruhig ist es hier nicht gerade, die Lüfter machen ziemlichen Lärm, aber es ist ein gleich bleibender Geräuschpegel, an den man sich bald gewöhnt. Uns gefällt’s. Kurz vorm Zubettgehen um Mitternacht gehen wir noch mal an Deck, Löschen und Laden geht die Nacht durch. Die Arbeiter, die in einem Tragekorb ein paar Meter entfernt an uns vorbeischweben, um mit langen Stangen die Twistlocks zu lösen, sind erstaunt ob der zu dieser Zeit unerwarteten Zuschauer und winken uns freundlich zu.


das typische Bild eines Containerhafens


mit mehreren Kränen wird Be- und Entladen


die Ladekräne sind wahrhaftig riesen Monster,
unten im Bild sind Menschen zu sehen!!!


so hängen die Container am Kran


dass der richtige Container auf
das richtige Schiff und in den richtigen
Hafen gelangt, grenzt an ein Wunder


14.5. Ablegen Tarragona
8 Uhr wird nix, auch nicht 10 Uhr. 14 Uhr erst heißt es Leinen los. Obgleich nicht viel be- und entladen wurde, die Spanier lassen es langsam angehen. Am Mittagessen merken wir, es ist Samstag heute. Es gibt Eintopf. So war das schon immer bei der Christlichen Seefahrt. Der Donnerstag ist „Seemanns-Sonntag“ mit Schweinebraten und Rotkohl (der hier vom Filipino-Koch allerdings in Hühnerkeule mit Broccoli gewandelt wurde), freitags ist Fisch angesagt und sonntags kommt Steak o.ä. auf den Tisch. So kann man den Mahlzeiten an Bord ohne Kalender fast jeden Wochentag zuordnen.
Kirsten und ich sonnen uns noch ein wenig vor dem Mittagessen, etwas eng vor der „Laube“ und wenn sich noch Peggy und Werner dazugesellen wollten, ginge das gar nicht. Müssen den Kapitän mal fragen, ob wir nicht ein Deck höher hinter der Brücke unsere Liegen aufstellen können, da wäre genug Platz. 14.30 Uhr haben uns die „Tugboats“ aus dem Hafen geschleppt und der „Pilot“ ist von Bord. Die „ZIM Ontario“ nimmt Kurs auf Gibraltar. Ich balanciere meine Weinschorle, die Sitzauflage und einen Krimi unterm Arm durch die schwere Tür nach draußen, was wegen des Winddrucks schon schwierig genug ist mit nur einer freien Hand, da pustet mir der Fahrtwind das Glas fast leer. Also schnell zurück in die gemütliche Kabine. Seit der Käptn uns den Heizlüfter brachte und die Klimaanlage runterfahren ließ, ist es da direkt kuschelig. Wir spielen ein paar Runden Rummikab und vergessen fast das Abendessen, das es an Bord zwischen 5 und 6 Uhr gibt. Peggy hat Wale gesehen und ist ganz aus dem Häuschen. Werner gibt sich wie immer sehr schweigsam. Außer einem „Ja“ oder „Nein“ lässt er sich kaum etwas entlocken. Von wegen „die Tiroler sind lustig“! Gemeinerweise unterstellen wir mal, seine Frau wird gar nicht merken, dass er nicht mehr zu Hause ist.


15.5. auf See
Frühsport! Rundgang über’s Schiff macht bei 275m Länge ca. 500m.


unter Deck die Festmachertaue


Blick durch ein Bulleye achteraus


Gang unter den Containern


jeder der weißen Kühlcontainer
hat ein eigenes Kühlaggregat

Dazu Ab- und Aufstieg bis zu unserem Deck reicht schon, um aus der Puste zu kommen. Die armen Lotsen, die vom Lotsenboot über Jakobsleiter, Gangway und 7 Decks hoch die Brücke erklimmen müssen, sind auch meistens nicht „amused“. Für den fehlenden Fahrstuhl muß sich unser Kapitän fast jedes Mal entschuldigen, obgleich er ja nichts dafür kann, sondern selbst darunter leidet. Auch die Frage nach einer Sauerstoffmaske wurde schon gestellt, wenn ein etwas übergewichtiger Lotse nach 15minütiger Bergbesteigung japsend auf der Brücke ankam.

 

der Lotse wird zur Gangway gebracht,
die er hochsteigen muss

 

und dann auch noch bis hoch zur Brücke,
ohne Fahrstuhl, der auf  anderen
Containerschiffen üblich ist

Heute gibt’s T-Bone-Steak, Eis und Tischwein! Aha, es ist Sonntag! Draußen sind 25°C und wir genießen die Sonne an Deck.
Ab 15 Uhr herrscht ein Verkehr wie auf der Mönckebergstraße. Viele große und kleine Schiffe drängeln sich durch die Straße von Gibraltar. Danach wird’s ruhiger, allerdings nur verkehrsmäßig. Der Atlantik empfängt uns mit Wind und und schaumgekrönten Wellen. An Deck wird es ungemütlich und wir verholen uns mit Lesestoff und einem Gläschen „Mumm“ auf die Couch, während es draußen bis 8 Bft. aufbrist. Später auf der Brücke sind wir froh, dass wir nicht im Cockpit der „Pirol“ sondern auf der Brücke der „ZIM Ontario“ sind. Der machen die von achtern anrollenden meterhohen Wellen wenig aus. Der Chief gesellt sich zu uns und es entwickelt sich eine so angeregte Unterhaltung, dass der „Alte“, der auch auftaucht erstaunt fragt: „Party auf der Brücke“? Die Jungs tauen langsam auf.
Heute Nacht stellen wir die Uhr 1 Stunde zurück.


16.5. auf See
Der Wind hat nachgelassen, aber die Restdünung steht. Die Sonne hält sich sehr bedeckt. Zum Frühstück gibt es Bratwurst. Na ja, wenn „Hein Seemann“ schon Stunden Wache hinter sich hat …, aber wir ziehen ein Käsebrötchen vor! Es sieht nach „Lese-Spiel-Schlaf-Tag“ aus. Kirsten versucht vergeblich, den Weltempfänger zum Leben zu erwecken. Mir macht die kurze Dünung ein bisschen zu schaffen. In der Koje ist es da am
schönsten und die verlasse ich nur für die 3 Mahlzeiten. 3 x
60 Stufen runter und rauf müssen heute genügen. Kirsten hat – wie immer – 0 Probleme!


17.5. auf See
10° nach Backbord und 10° zurück nach Steuerbord, aber längst nicht mehr so unangenehm wie gestern. Werner spricht beim Frühstück schon ganze Sätze. Für ihn wohl fast ein Temperamentsausbruch. Jun macht heute den wöchentlichen Hausputz mit Bettwäsche-Wechsel und wir „ölen“ unsere Badezimmertür, die schon von Anfang an erbärmlich bei jeder Bewegung quietscht, mit Zahnstocher und Handcreme. Geht doch!
Ich sehe meinen ersten Wal, während Peggy mit ihrem 6. angibt!
Aber die ist ja auch schon fast 4 Wochen an Bord.
Der Uhrzeiger wird das 3. Mal 1 Stunde zurückgestellt. Bis Halifax werden es 5 Stunden sein.


18.5. auf See
Jägerschnitzel zum Frühstück! Für uns lieber wieder Brötchen.
Kapitän Hoffmann zeigt uns auf dem Brücken-Laptop einen kleinen Film über die „ZIM Ontario“, die ein ex-Passagier gedreht hat und Fotos vom ihrem Bau 2009 in Korea. Beides sehr interessant. Werner klagt über Herzrhythmus-Störungen, die ihn noch keine Nacht richtig schlafen liessen. Er glaubt, dass die Schiffs-Vibriation dies Problem verstärkt, das er wohl zu Hause auch schon in größeren Abständen hatte. Er erwägt, nicht bis L.A. an Bord zu bleiben, wo er eigentlich seine dort lebende Tochter und Enkel besuchen wollte, sondern schon von Halifax heimzufliegen. Wir tun insgeheim etwas Abbitte.
Nachmittags nehmen wir am Brandschutz- und Rettungsbootsmanöver teil. In jedem Winkel des Schiffes schrillen die Alarmglocken und alle begeben sich auf schnellstem Wege mit Helm und Rettungsweste zu der angegebenen Sammelstelle. Eigentlich sind wir ja nur Zuschauer, aber mit Zustimmung des Ersten dürfen wir - ohne die Crew zu behindern - mitmachen. Gut, dass es nur eine Übung ist, denn die Decks-Außentür zur Kombüse, in der es brennt, ist dicht und muß erst vom Bootsmann nach kurzer Verzögerung aufgeschlossen werden. Aber dann läuft alles reibungslos und nach wenigen Minuten kommt die Meldung „Feuer aus“. Gleich im Anschluß geht es in die Rettungsboote, wir sind backbord beim Ersten eingeteilt, das Steuerbord-Boot befehligt der 2.Offizier. Nach kurzer Zeit herrscht schon ziemlich „dicke Luft“ auf engem Raum und sicher bin nicht nur ich froh, dass das keine Realität ist. Eigentlich war der Aufenthalt in einer Rettungsinsel nur beim Überlebenstraining der Bundeswehr in Neustadt in deren Wellenbad schlimmer. Da wurde nicht nur in unserer kleinen 6er Insel schon nach wenigen Minuten die „weiße Flagge“ gehisst!


die wöchendliche Rettungsübung


anschnallen in einem der Rettungsboote


Feuerübung - Feuer in der Pantry


und wir sind voll integriert

Der Wind nimmt kurzzeitig wieder zu, aber alles „in grünem Bereich“, die Sonne scheint und wir haben angenehme  Temperaturen, zumindest die Lufttemperatur, das Wasser ist nur was für Hartgesottene: 14°C! „Seemanns-Null“, die untere Grenze zum Baden, liegt sowieso bei 25°C!


19.5. auf See
Werner geht es trotz Umzugs in eine etwas ruhigere Außenkabine noch nicht viel besser. Sein Frühstück bestand ohnehin nur aus trockenem Schwarzbrot und 1½ Bechern ungesüßtem „Lipton’s“, heute trinkt er lediglich ein paar Schlucke und verschwindet. Peggy ist redselig wie immer und wir unterhalten uns noch ausgiebig mit dem aus Ost-Berlin stammenden Käptn über die Zeiten vor und nach der Wende. Draußen herrscht pottendicker Nebel, aber auf dem Radar ist kein Schiff weit und breit, das uns in die Quere kommen könnte. Auch keine Eisberg-Gefahr, sagt unser Kapitän, obgleich in dieser Gegend die „Titanic“ gesunken ist. Das war aber wohl im Februar oder so, wo die Eisgrenze weiter südlich verläuft. Zwischen ihnen und uns liegen z.Zt. beruhigende 50 Seemeilen.
Nachmittags bescheint uns von oben die Sonne, aber die Sicht voraus beträgt höchstens 1 Meile. Seenebel! Das Wasser ist glatt und grau und es ist kalt geworden. Den Delphinen, die links und rechts neben uns aus dem Wasser springen, ist das sicher egal.
Zum Abendessen gibt es „Spaghetti Bolognaise“, lecker, und der Chief lädt uns für morgen in die „Kardiologie“ der „Ontario“ ein, seine „Unterwelt“. Wir spielen noch etwas Rummykab und  stellen die Uhr mal wieder 1 Stunde zurück.


20.5. auf See
Nach dem Frühstück besuchen wir die Brücke, wo der Dritte Wache hält. Die „Suppe“ ist so dick, dass wir die vorderen Container nicht erkennen können. Aber ein Blick auf das Display des Radars zeigt nur ein Schiff in großem Abstand. Auf Knopfdruck erscheinen Name, Geschwindigkeit, Richtung und  Ziel. Es will nach Murmansk. Peggy’s Heimatstadt Halifax scheint uns einen nassen Empfang bieten zu wollen. Die Wettervorhersage ist scheußlich.
Um 10.30 Uhr stapfen wir dann die 166 Stufen von unserem F-Deck bis in die unterste Etage im Schiffsbauch. In der „Kommandozentrale“ unzählige Meß- und Informationsgeräte, grüne, gelbe und rote Signallämpchen und Überwachungsmonitore. Chief Lüdtke verpasst uns erstmal „Ohropax“, denn im Maschinenbereich wird man den Aufenthalt ohne Ohrenschutz nicht lange ohne Hörschaden überstehen. Selbst mit unseren „Stöpseln“ ist der Lärm noch recht beachtlich.


unser Chief in seiner Kommandozentrale


der 7-Zylinder MAN Dieselmotor


und die ca. 1m dicke Welle

Wir sind sehr beeindruckt von dem, was alles so im Bauch eines großen Schiffes passiert und von dem ein Traumschiff-Tourist sicherlich wenig zu sehen bekommt. Auf Kirsten’s Anordnung folgen nun die technischen Daten und mehr unseres 64000 tdw-Containerschiffes, die dem einen mehr und dem anderen von Euch weniger sagen werden. Letztere können den Absatz ja über- oder querlesen:

Die Maschine hat 54.000 PS, bei 20 kn Fahrt dreht sich die etwa
1m dicke Welle 85 mal pro Minute, max. Umdrehungen 104. Verbrauch pro Stunde 4000 l Schweröl, das hier zu Diesel aufbereitet wird. Der Motor ist ein 7-Zylinder von MAN, der größte, den MAN je gebaut hat. Kolbendurchmesser: 980mm, Hubhöhe 2,40m. Es gibt eine Frischwasserverdampfungs-und Aufbereitungs-Anlage, die 40t/Tag leisten kann. Für die Stromversorgung sind 4 Generatoren vorgesehen. Jeder Generator liefert 2100KW bei 440V Ausgangsspannung. Der Druck, mit dem der Diesel in die Zylinder gesprüht wird, beträgt normalerweise 24 bar, max. 30 bar und wird in großen Extrabehältern erzeugt. Unsere 5-flügelige rechtsdrehende Schraube hat einen Durchmesser von knapp 8m und jeder der beiden Patentanker wiegt in etwa 3,5t.

Lieber Chief Lüdtke, falls Sie dies lesen, ich bitte um Nachsicht für irgendwelche Fehler und um Korrektur per e-mail.

Wir freuen uns, dass auch hier die Wettervorhersage manchmal daneben liegt. Die Sonne hat den Nebel vertrieben und wir haben beste Sicht. Obgleich hier eine große Fishing Area sein soll, laut Peggy, die es wissen muß, sehen wir keine Fischdampfer und auch keine anderen Schiffe rundum.


21.5. auf dem Weg nach Halifax/Nova Scotia/Kanada
Abends verspeisen wir unsere letzten Äpfel, weil in Kanada wie in den USA kein Kernobst offen herumstehen geschweige denn an Land mitgenommen werden darf (Fruchtfliegengefahr!) und stellen den Wecker. Der Lotse soll um 5.30 Uhr kommen und wir stellen den Wecker auf eine halbe Stunde früher. Als wir in die Koje kriechen, herrscht draußen wieder pottendicker Nebel und wir schieben den Wecker-Zeiger ein bisschen weiter nach vorne. Dennoch sind wir zu früh auf der Brücke, der Lotse hat seine Ankunft auf 7 Uhr verschoben. Draußen ist es saukalt und auf der Brücke nicht viel wärmer. So verziehen wir uns doch lieber noch mal in unser – dank Heizlüfter – gemütliches Apartment. Eine Stunde später klart es endlich auf, an Backbord erscheint die Küste von Nova Scotia und der ziemlich korpulente Lotse an Bord. Trotz seiner Fülle scheint er gut in Form. Kein Pusten, keine Beschwerde über die zig Stufen. In diesen Gewässern ist die Betonnung umgekehrt, rote Tonnen Steuerbord von See kommend gesehen. Wieder durchqueren wir eine Nebelwand, dann liegt der ziemlich überschaubare „Halifax Harbour“ vor uns.


die Schlepper rauschen an


und drücken unser Schiff an die Pier





Kapitän und Lotse verfolgen das
Anlegemanöver von der Brücke aus


die Festmachertaue werden auf
einem Poller belegt

Für uns endlich mal eine kostenfreundliche Nähe zur Stadt. Wir können zu Fuß mit übergestreifter Sicherheitsweste an der Pier entlang zum Gate laufen. Dann führt eine Promenade am Passagier-Terminal vorbei bis ins Zentrum. Am Weg liegt auch die Seemannsmission und wir erstehen schon mal ein paar Postkarten für die Lieben zu Hause. Auf dem Rückweg können wir sie dann beschrieben dort wieder abgeben. Die große Markthalle im Zentrum ist ein Anziehungspunkt für viele Touristen und Einheimische, die sich durch die Gänge mit den vielen bunten Ständen schieben. Augenschmaus und Gaumenfreude, jeder kommt hier auf seine Kosten. Wir beschränken uns auf einen Kaffee und 2 kleine handbemalte Magnete für meine Sammlung. In der Kürze der Zeit können wir die sicher sehens- und besuchenswerten weiteren Schönheiten von Halifax leider nicht mehr erkunden. Die „ZIM Ontario“ wartet und vor die Sonne schieben sich dicke schwarze Wolken. Gerade noch rechtzeitig sind wir an Bord, bevor strömender Regen einsetzt. Trotzdem arbeitet die Container-Gang zügig und wir legen sogar eine Stunde früher als geplant um 16.30 Uhr ab. Auf See hat der Wind den Nebel vertrieben. Weiße Schaumkronen lassen auf 5-6 Bft. schließen. Aber kein Problem für die „Ontario“ und damit auch nicht für uns. Wieder stellen wir die Uhr eine Stunde zurück. Heute ist nicht mein Glücksabend im Spiel. Ich verliere haushoch gegen Kirsten beim Rummikab und versemmel ein Sudoku nach dem anderen. Sauer!!!


die Markthalle in Halifax




ein bayrischer Fleischer in
der Markthalle


22.5. auf See Richtung New York
Grauer Himmel, weiße Wellenköpfe, 6 Bft. aus Nordost. Zum Frühstück serviert Jun „Torero“ ??? Entpuppt sich als Toastbrot mit Leberwurst, Zwiebeln, Tomaten und Spiegelei und war wohl der Renner auf den Handelsschiffen der DDR. Na gut, für uns etwas gewöhnungsbedürftig. Das Steak zu Mittag gleicht das wieder aus. Nach einem Mittagsschläfchen können wir sogar ein bisschen an Deck sitzen, die Sonne hat sich durchgesetzt. Von karibischen Temperaturen sind wir allerdings noch weit entfernt.


23.5. Einlaufen N.Y. bzw. Newark
Mal wieder Grau in Grau morgens um halb 7. Die Skyline von Manhattan hüllt sich in Regenwolken. Wie alles in Amerika ist auch das Container-Terminal riesig. Die Immigration kommt um halb Acht. Immer noch Gesichts- und Passkontrolle. 3 Mann hoch dokumentieren und stempeln, sind aber ganz nette Typen. 2 Stunden später fahren der Zweite und wir mit dem Hafen-Shuttle zum Seemannsclub. Anders kommt man nicht aus dem Hafengelände. Von dort geht’s weiter per Taxi für 25 $ zum Bahnhof Newark. Stolzer Preis für die relativ kurze Strecke. Dafür kostet die Bahn nach N.Y. für „Seniors“ nur 1,75 $. Ungefragt netter Tipp von der Schalterdame. Wir hätten an Bord bleiben sollen, zumal wir N.Y. von einem früheren Besuch schon ganz gut kennen. Es ist zwar warm, aber regnerisch und wir suchen Zuflucht im Macy’s, dem – zumindest vor einigen Jahren noch – größten Kaufhaus der Welt. Als endlich die Himmelstropfen versiegen machen wir uns auf zum Ground Zero, den die New Yorker in der Bahn immer noch als „next Stop: World Trade Center“ ansagen.
Inzwischen hat der neue Friedensturm eine beachtliche Höhe erreicht. Er soll in „Füßen“ so hoch werden, wie die USA als Staat alt sind. Huch, jetzt habe ich vergessen, wie viele das sind und in meinem Lexikon steht keine Jahreszahl.


Fahrt zum World Trade Center


der Friedensturm am Ground Zero

Mit Bahn und Taxi fahren wir zurück zur Seemannsmission. Für die Seeleute, die ja oft nur ein kleines Budget haben, sind diese wirklich ein Segen. Sie haben einen Shuttle-Service, bieten kostenlos Internet, Kaffee, TV und individuelle Hilfestellung an, die auch Passagiere wie wir nutzen dürfen. Hier bekommen wir auch endlich mal wieder TV-Nachrichten, wenn auch gerade die amerikanischen laufen. Jun bietet uns sogar noch eine Stunde nach dem offiziellen Abendessen „Burger“ und „cold plates“ an. Da wir uns beim Ground Zero nur ein kleines Stückchen Pizza gönnten, sind wir entsprechend dankbar.
Die Kräne haben inzwischen vor unserem Brückenaufbau Alle! Container von Deck und aus dem „Bauch“ der Ladeluke geholt. Ob das Loch über Nacht wohl wieder gefüllt wird?


so sieht der leere "Bauch"
unseres Schiffes aus


24.5. Ablegen nach „Savannah“
Na, nicht ganz. In der Mitte klafft noch ein großes Loch. Mal wieder undurchdringlicher Nebel und unsere Abfahrt verzögert sich um eine Stunde. Am Frühstückstisch sitzen plötzlich zwei dänische Techniker aus Aalborg von MAN mit am Tisch. Irgendwas muß am Hilfsdiesel getauscht werden und sie sollen bis Kingston/Jamaika an Bord bleiben. Es gibt Thüringer Bratwurst, die ich lieber mal zu Mittag hätte. Aber morgens um 7.30 Uhr?
Dem Ersten und dem 2.Ing. am Nebentisch schmeckt’s. Nach drei Stunden Revierfahrt sind wir aus dem Flussarm raus und der Lotse steigt auf das kleine Lotsenboot, das längsseits geht und ihn – etwas Besonderes – zum Lotsen-Mutterschiff „Pilot No. 1“ übersetzt. Jun macht derweil „Klarschiff“ in unserer „Wohnung“. Einmal die Woche ist Bett- und Handtuchwechsel und Putzen und Staubsaugen angesagt. Wir gehen auf unseren „Trimmpfad“ ums Schiff, damit wir mittags „Rouladen“ mit „Dumplings“ und „Schweinebohnen“ verzehren können, die uns Norddeutschen allerdings mit Rotkohl und „Linda“-Kartoffeln lieber gewesen wären. Abends gibt es Bratkartoffeln mit aufgewärmtem Brathering aus der Dose. Woher soll unser Filipino-Koch das auch alles wissen. Die wundern sich wahrscheinlich sowieso über unsere Esskultur genauso wie wir über ihre Fischsuppe zum Frühstück.
So langsam steigen die Gradzahlen auf dem Thermometer an und es wird früher dunkel. Aber noch ist’s drinnen gemütlicher.




25.5. auf See
2 Wochen leben wir nun schon auf dem Schiff. Das monotone Motorengeräusch und die Vibrationen lassen uns inzwischen wunderbar schlafen. Heute ist ein strahlendschöner Tag mit Sonne und weißen Tupfern auf blaugrauer See. Wir schleppen die Liegen auf das Brückendeck und genießen unsere Lektüre. Kirsten’s heißt „Bridge“ und meine „Der Keltische Ring“ von Björn Larsson. Spannend. Er beginnt in einem Hafen in Dänemark, wo wir die „Pirol“ verkauften – in Dragör. Bald merken wir, dass die Sonne gefährlich wird und verholen uns in den Schatten des Bordkrans, bevor wir uns einen Sonnenbrand einhandeln. Der Koch zelebrierte heute Spinat, der aussah wie Kuhfladen, aber wahrscheinlich besser schmeckte und Königsberger Klopse, die wir probierten und für gut befanden.


unser Sonnendeck auf der Brücke


26.5. Savannah/Georgia
Zum Frühstück erscheinen unsere dänischen Monteure noch in der Offiziersmesse, wohl, weil ihr T-Shirt da noch sauber ist. Ansonsten ziehen sie die Crewmesse vor, da kriegen sie keinen Rüffel vom Kapitän. Werner ist erstaunlicherweise schon um 7.30 Uhr da, geht aber gleich darauf – wie immer – grußlos. Komischer Tiroler Kauz. Wir packen unsere Landgangssachen und begeben uns zum Schiffsoffice auf dem A-Deck. Unser Kapitän ist nach der langen Revierfahrt von 0.30 Uhr bis in den frühen Morgen noch in der Koje. Der Erste schiebt uns an den Dritten ab. Der will uns unsere Landgangszettel aus dem Captains-Office geben, aber die sind nicht zu finden. Stattdessen entdecken wir auf dem Tisch einen handgeschriebenen Zettel unseres Tirolers, dass er hier am Morgen das Schiff aus gesundheitlichen Gründen verlassen wird. Der Filipino-Dritte kann das natürlich nicht lesen und so kümmern wir uns um die Weitergabe an den Ersten. Auf die Art und Weise dauert es, bis wir mit der Taxifahrerin „La Sonja“ in einem runtergewohnten Taxi in die Stadt fahren können. Hier herrschen wieder „amerikanische Regeln: nur mit einem Taxi, das ein Twic-Zertifikat erworben hat, oder mit dem Seemannspastor dürfen wir uns im Hafengelände bewegen. Alles andere steht unter drastischen Strafen.
Savannah hat 130.000 Einwohner und nennt sich Garden City. Zu Recht, stellen wir fest, es gibt viel Grün. Allein 22 sogenannte „Squares“, kleine Parks, sind auf dem Stadtplan zu finden. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, die historisch bedeutsame Stadt, die Anfang des 18. JH gegründet wurde, zu erkunden. Wir entscheiden uns für ein Ganztagsticket der „Old Savannah Tours“-Linie. Seniorenpreis, nach dem wir jetzt immer mit Erfolg fragen, 20 statt 25 $. Wir haben ein Riesenglück mit unserer farbigen Fahrerin, die auch gleichzeitig „Guide“ ist. Sie spricht für uns verständliches Englisch, wahrscheinlich weil sie in N.Y. und nicht in Georgia geboren ist. Souverän chauffiert sie uns durch den lebhaften Autoverkehr, erzählt ununterbrochen Anekdoten und Geschichten über die diversen wichtigen Vorväter und –mütter der Stadt, über deren Reichtum, der sich in prunkvollen eisernen Zäunen, Fenstergittern, Treppengeländern etc. darstellt oder auch durch die zu ihrer Zeit aus 20$/Stk. teuren grauen Georgia-Ziegeln gebauten Häuser.


eines der Häuser mit "viel Eisen"

Ihre mit Jahreszahlen ohne Ende gespickten Erzählungen untermalt sie noch mit Gesten, deutet auf dieses und jenes Gebäude oder simuliert auf ihrem Fahrersitz den Ritt auf einem Gaul. Unglaublich!


unser Guide auf der "Old Savannah Tour"

Wir steigen erst an dem 9. von möglichen 15 Stopps aus, um nichts zu verpassen. Stop No. 9 ist der „Market Place“, da gönnen wir uns ein „lecker Mittagessen“, um mit Hape Kerkeling zu sprechen. Kirsten kriegt Grünkohl (!), aber nach Südstaaten-Art, nicht mit Kohl und Pinkel. Ich nehme Fisch, den „Catch of the day“. Gibt doch außer den hervorragenden Steaks und Salaten in den USA noch eine gute Küche neben den Fastfood-Ketten. Vor dem Stoppschild, wo die Touristen-Trams „Old Village Tour“ oder „Historic Tours“ heißen, stehen auch Pferdekutschen und warten auf Kundschaft. Touristen sind hier neben der Papierverarbeitung die größte Einnahmequelle. Diese Pferde, erzählt uns später der Taxifahrer, sind Polizeipferde i.R., die sich ihr Gnadenbrot verdienen und nicht in den Kochtopf wandern. Sie werden liebevoll gepflegt von ihren Besitzern, die nach jeder Tour die Körpertemperatur überprüfen und sie bei der hier herrschenden feuchten Hitze (wir haben bestimmt über 30°C) immer wieder mit Wasser abspritzen, um einen Hitzschlag zu vermeiden.


die alten Polizeipferde werden abgekühlt

Um 4 Uhr werden wir strahlend von unseren Gangway-Security-Filipinos begrüßt, die scheinbar immer gut gelaunt sind.




immer fröhlich, unsere Filipinos

Unser Werner ist von Bord gegangen. Er will über N.Y. nach Wien zurückfliegen, muß aber erst noch eine Nacht hier im Hotel verbringen. Davon gibt’s allerdings mehr als genug, vom luxuriösen 5*Western Hotel auf der Ostseite des Savannah-Rivers, zu dem eine hübsche historische Fähre hin- und herpendelt, bis zu sehr günstigen Bed and Breakfast Herbergen. Allein zum St.Patricks Day kommen ca. 1 Million Touristen und an die Paralympics erinnert noch eine Skulptur „Olympisches Feuer“ am Ufer.


27.5. auf See Richtung Karibik
Kapitän, Chief, Chiefmate und 2. Ing. sind trotz kurzer Nachtruhe am Frühstückstisch. „Schlafen können wir, wenn wir alt sind“ sagt grinsend der Chief. Durch die Spiegel-online Nachrichten ist die ehec-Epedemie auch an Bord ein Thema. Wir können nicht mitreden, unsere letzten Nachrichten waren die BBC-News von New Jersey und da ging es hauptsächlich um den verheerenden Tornado in Joplin mit mehreren 100 Toten. Uns könnten hier auch schon die ersten Hurricanes erreichen, aber gottseidank sollten wir laut Wetterbericht davon verschont werden. Wir machen in der bordeigenen Wäscherei zum ersten Mal Zeugwäsche, 2 Waschmaschinenfüllungen haben sich angesammelt.
Die 6 Stockwerke bis zur Laundry auf dem Hauptdeck bringen uns ganz schön zum Pusten. Keine weitere Gymnastik nötig. Draußen ist es feuchtwarm und zum ersten Mal sind wir froh über die Klimaanlage. Entweder falle ich auf diesem Schiff ohne Fahrstuhl irgendwann tot um oder ich bin fit wie ein Turnschuh. 5 x sind wir heute zur Laundry ab und wieder aufgestiegen = 5 x 98 x 2 = 980 plus 3 x zu den Mahlzeiten auf das B-Deck = 3 x 66 x 2 = 396 und 2 x zum Sonnen auf das Brückendeck = 2 x 36 x 2 = 144, zusammen mehr als 1500 Stufen.

Ladungsmäßig war auch in Savannah nicht so viel los, schlecht für den Reeder, aber schön für uns. So haben wir nach vorne freien Rundumblick. Ab 6 Container übereinander auf dem Hauptdeck würde es vor uns dunkel.


28.5. weiter Richtung Karibik
Das Wasser ist tiefblau und die Sonne steht hoch. D.h. wir sollten sie sehr vorsichtig genießen. Trotzdem weist mein T-Shirt-Ausschnitt nach wenigen Minuten eine leichte Rötung auf.
Nachmittags laufen wir an den Bahamas vorbei, lassen Rum Cays, Long Island, Cat Island und Exuma Cays an Steuerbord und fahren abends durch die Windward Passage – links Haiti, rechts Kuba – auf Jamaica zu. Heute habe ich den erst zweiten Segler auf dieser Reise gesehen. Feinen Wind hatte der, da guckt man schon mal hin! Aber im Liegestuhl mit einem Krimi ist es auch nicht schlecht. Dazu ab und an ein Blick auf’s Meer hinter uns, das türkisblaue und weiße Kielwasser im knallblauen Meer – traumhaft.


traumhaftes blaues Meer

Beim leckeren Abendessen, Schaschlik mit Reis, rät uns der Erste: „Wenn Sie noch einen Spaziergang an Deck machen wollen, sollten Sie das bald machen. Das Wetter ändert sich!“ Eine halbe Stunde später fahren wir in eine graue Wand, das Meer nimmt die gleiche Farbe an und der Horizont verschwimmt in der gleichfarbigen Masse. Und dann schüttet es wie aus Eimern! Aber genauso schnell wie es gekommen ist, ist es auch wieder vorbei. Regenzeit in der Karibik eben! Und nachts haben wir einen wunderschönen Sternenhimmel.


29.5. Kingston/Jamaika
Wir drehen den Uhrzeiger wieder eine Stunde zurück, dadurch ist es in Deutschland jetzt 6 Stunden später. Zum Frühstück gibt es Tartar mit Eigelb, Kapern und Zwiebelwürfeln, auch Rohhack oder Krokodilfutter genannt. Wir verzichten beide. Ausgerechnet hier funktioniert die Klimaanlage nicht richtig, aber bis zum Mittag hat der Chief es wieder im Griff. Pelikane und Fregattvögel begleiten unser Anlegemanöver in der Hoffnung, dass die Schrauben von uns und den Schleppern lecker Fische für sie an die Oberfläche wirbeln. Wir packen unseren Landgangsrucksack und marschieren zur Gesichtskontrolle ins Schiffsoffice, während die Kräne schon ihre Arbeit mit den Containern begonnen haben. Erst morgen Nacht geht’s weiter zum Panama-Kanal. Die Immigration hat Verspätung, trinken wir noch einen Kaffee bei Jun. Der Käptn ist genervt, aus 10 min. wird über eine Stunde und dann lohnt ein Landgang nicht mehr. Das stellt sich als weise Entscheidung heraus, denn um 21 Uhr müssen wir auf die gegenüberliegende Pier verholen. Uns hätte ja der Schlag getroffen, wenn nach Rückkehr der Dampfer weg gewesen wäre. Eine Stunde dauert das ganze Manöver in der Schwüle und bei leichtem Regen bis der Lotse von Bord und die neuen Kräne in Positur sind. Die Lichter vom Hafen und der Stadt glitzern auf dem nassen Asphalt. Sieht toll aus.


aber das Glitzern von Kingston täuscht


30.5. noch Kingston
Ausgerüstet mit Pass, Crewliste und ID-Card vom Schiff wollen wir nun endlich Kingston erobern. Das wird allerdings schwieriger als erwartet. Das jamaikanische Security Personal an der Gangway ist strenger als das amerikanische. Als gestern die dänischen Mechaniker von Bord gingen, musste der eine von beiden seine Sandalen in feste Schuhe tauschen, sonst: no go! Also, Bootsschuhe haben wir an, auch die vorgeschriebene Sicherheitsweste, aber nun heißt es noch 3 Mann bzw. 2 Frauen und 1 Mann Security-Personal überwinden. 2 Listen mit gleichen Personalien ausfüllen und Fragen beantworten. „So, Sie wollen „downton“ Kingston? Ja, da kommt ein Shuttle zum Gate, hinter der Sicherheitslinie warten! Ja, und dann brauchen Sie Transport nach Kingston rein. Mein Sohn wird Sie fahren“ und – schwupp – per Handy wird der gleich aktiviert und da wartet er auch wahrhaftig schon auf uns. Wir müssen aber erst an zwei Damen von der Hafen-Security vorbei, Crewliste abgeben, ID-Card, Pass und Rucksack vorzeigen. Meine Sony-Camera wird notiert. Kirsten fragt unseren „Privatchauffeur“ nach dem Fahrpreis, denn da kann man in jedem Hafen sein blaues Wunder erleben. So auch hier. Einfache Fahrt pro Person 25 US$! Kommt ja überhaupt nicht in Frage! Wir schalten eine der Torwachen ein. Sie verhandelt mit und wir einigen uns auf 20 US$ komplett bis zur Tourist-Information, die er sich hier erst noch erfragen muß. Er scheint sich nicht so gut in Kingston auszukennen. Das zweite Mal fragt er dann mitten auf einer Kreuzung einen Polizisten, der den nicht unerheblichen Verkehr dort regelt und extra zur Wegbeschreibung alles aufstoppt. Das reicht schließlich aus, um uns vor dem richtigen Haus abzusetzen. Mit dem auf 20 US$ geschrumpften Preis ist unser Kenrick, so heißt er, offensichtlich so zufrieden, dass er uns seine Handynummer aufschreibt, um auch die nächsten 20 US$ für die Rückfahrt einzustreichen.
Der erste Eindruck von Jamaika ist arm, arm, am ärmsten, jedenfalls außerhalb der Touristen-Burgen, wie Montego Bay oder Ocho Rios im Norden. Die Menschen hausen in Häuserruinen, Bretterbuden, Containern, Schrottautos oder einfach unter Planen.


z.B. die ärmlichen Behausungen der Fischer

Die Straßen sind eine einzige Katastrophe, Schlagloch an Schlagloch, teilweise knietief. Die Flensburger Straße in Schleswig nach dem strengen Frost würde man hier wahrscheinlich als gut saniert ansehen. Trotzdem wird hier kaum gebremst, alle Autofahrer fahren Schlangenlinien trotz Gegenverkehrs (wir machen ziemlich oft die Augen zu vor Schreck) und scheinen jedes einzelne Loch zu kennen. Das ist allerdings auch nötig, denn für Schäden an ihren Autos käme keine Versicherung etwa der Stadtverwaltung auf und die Reparatur kann sich wohl kaum jemand leisten. So fehlt Kenrick der rechte Außenspiegel, der Rückspiegel ist mit einem Lappen befestigt, die Fensterkurbel für die Beifahrertür liegt lose im Mittelfach und mein Anschnallgurt im Fond ist gänzlich Fehlanzeige.
Das Touristoffice hat schwarzgetönte Scheiben und ein Wachmann öffnet nach zufrieden stellender Auskunft unseres Begehrens per Knopfdruck die Tür. Eine der Damen nimmt sich unser an und wir bekommen eine maßgeschneiderte guided Tour mit Calvin, der ein Glücksfall für uns ist. 60 US$ kosten uns die 3 ½ Stunden, in denen er uns in die wirklich wenigen sehenswerten Ecken von Kingston und um zu fährt. Auf den Jack Hill, der einen tollen Ausblick über das heute leider etwas diesige Kingston und das karibische Meer bietet, dann vorbei an den durchaus vorhandenen upper und middleclass Wohngebiete mit hübschen Villen, zu dem durch Erdbeben 1692 und 1902 verwüsteten Ort Port Royal, nur über eine Landzunge zu erreichen, die in ganzer Länge verbreitert wird, um Schutz vor den Wellen der häufigen Hurricanes zu bieten. Am Straßenrand reiht sich ein Plastiksack an den anderen. Calvin sagt: Alles Müllsäcke, Unrat aufgesammelt vom Uferrand, wo der weggeworfene Müll vom auf der anderen Seite liegenden Kingston angeschwemmt wird. Ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen. Wo immer wir fahren, Müll ohne Ende und dazwischen herrenlose Hunde mit dem gleichen trostlosen Blick in den Augen wie die herumlungernden armen Menschen. Es ist sicher kein Zufall, dass Calvin sofort nach Abfahrt alle Türen verschließt.


unser Guide Calvin


der Blick vom Jack Hill auf Kingston

Das Kontrastprogramm sind die vielen Schulen, Colleges und Universitäten. Alle Schüler und Studenten uniformiert in Blau, Braun oder Oliv je nach Schule, die Jungs der Hochschulen in weißen Hemden mit gebundener Krawatte. Die Jüngsten, hier kommt man schon mit 3 oder 4 Jahren in die Schule, tragen Pink, die Lieblingsfarbe - aller kleinen Mädchen zumindest – auch bei uns. Auf dem Weg zu „Devon House“, wo unser Ausflug endet, lädt uns Calvin noch zu einer Erfrischung ein. Wir halten an einem kleinen Stand an der Straße, wo junge Männer mit ihren Macheten Kokosnüsse „köpfen“ und uns mit einem Strohhalm bestückt überreichen. Die Milch löscht den Durst und das zarte Fleisch ist mit Zucker bestreut sehr lecker.


wir genießen die Erfrischung

„Devon House“ ist ein kleiner Park umsäumt von Souvenir- und Künstler-Shops, einem Café, einem hübschen Restaurant und einem hier berühmten Eisladen, auf dessen Reklameschild
„I scream for …“ steht. Im Restaurant gönnen wir uns eine einheimische Köstlichkeit, einen „Rumpunsch“ mit ganz schön vielen „Prozenten“, sehr lecker, und auch noch einen zweiten, weil ich inzwischen meine 10 Ansichtskarten und die dazugehörigen jamaikanischen Briefmarken erinnere, die ja hier aufgegeben werden müssen, weil der nächste Hafen amerikanisch ist. NACH dem zweiten hätte ich sie allerdings nicht mehr schreiben können, hicks!


das Devon House - ein Lichtblick inmitten
des chaotischen Kingstons

Telefonieren mit Kenrick können wir dann aber noch und er holt uns karibisch unpünktlich wieder ab. Na gut, es ist rush-hour und er ist entschuldigt. Wir brauchen für die Rückfahrt dreimal so lange, allerdings muß Kenrick sich auch noch nach einem Briefkasten durchfragen, der uns dann nicht besonders vertrauenswürdig erscheint, weil er hinter einem Kiosk an einer Bruchbude versteckt hängt. Doch – inzwischen wissen wir – die Karten sind alle angekommen.
Obwohl wir mit Verspätung „zu Hause“ ankommen, so fühlt es sich inzwischen an, auch wegen der freundlichen Begrüßung durch unsere „Jungs“, hat Jun den Abendbrottisch noch nicht abgeräumt. So endet ein aufregender Hafentag nicht mit leerem Magen. Wir sind rundum zufrieden. Unser „Kahn“ ist inzwischen
5 Kisten  „hochgestapelt“, noch eine drauf, dann würde es „dunkel“ nach vorne. Es ist inzwischen warm und regnerisch und stockfinster! Die Container glänzen im Flutlicht und Kingston sieht von hier wunderschön sauber und einladend aus im Lichtermeer der Häuser und Straßen. Wir wissen es besser.
Inzwischen ist es 21 Uhr und die gewaltigen Kräne arbeiten immer noch. Wir warten auf das Ablegen – immer spannend. Fast gehören wir ja schon zur Besatzung, aber leider, leider: der Countdown läuft. Von den 4 Wochen sind nur noch knapp 1 ½ übrig. Jetzt gilt unsere Vorfreude dem Objekt von Kirsten’s Begierde: dem PANAMA-Kanal.



31.5. auf zum Panama-Kanal
Mir wurde es zu lang, aber Kirsten hat das Ablegen um 1.30 Uhr noch verfolgt. Jetzt haben wir trotz der vielen auf Deck gestapelten Container nur einen Tiefgang von 11,60m. Der Grund: viele der Kisten sind in dem Umschlaghafen Kingston während der Finanzkrise leer liegen geblieben und werden jetzt nach der Erholung des Marktes wieder auf die anderen Häfen in den USA, Korea und China verteilt. Mit mehr Tiefgang hätten wir dann im Panamakanal ein Problem, der ist nämlich genau 12,04m tief und da er aus dem Gatun-See, 26m ü.M., und dem Miraflores-See gespeist wird, besteht er aus Süßwasser. Und in Süßwasser – wusste z.B. ich nicht mehr aus der Schule – sinkt unser Schiff dann 20cm tiefer ein und wir haben nicht mal mehr 30cm unterm Kiel. Vollbeladen und gut 13m Tiefgang müssten die „Ontario“ und ihresgleichen dann wohl um Kap Horn schippern. Wir haben inzwischen wieder gute 7 Windstärken und bewegen uns leicht schwankend mit „Ausfallschritten“ durch’s Schiff. Aber inzwischen sind uns die Seebeine gewachsen und das Essen schmeckt trotzdem. Der Himmel ist bedeckt und so machen wir drinnen Siesta, statt unsere Liegestühle an Deck festzuzurren.


1.6. auf Reede vor Cristobal
Um 10 Uhr rauscht einer der zwei 3,5t schweren Patentanker
50m in die Tiefe. Morgen früh geht’s weiter. Nur kleine Schiffe gehen nachts durch den Kanal. Wir werden ca. 8 – 10 Stunden von der Atlantikseite bis zum Pazifik brauchen, von Cristobal bis Balboa oder auch Colon bis Panama City. Wir setzen uns nachmittags für ein Stündchen auf’s Brückendeck, aber die Schwüle und herumsausende Insekten – manch eines noch nie gesehen – lassen uns in unsere klimatisierten Räume flüchten.




auf Reede vorm Panama-Kanal


2.6. Anker auf


die Panama-Gastflagge ist gesetzt

6 Uhr: Wecken vom Kapitän höchstpersönlich. Na ja, höchstpersönlich per Telefon! Wer erlebt das wohl auf einem Traumschiff? Der Lotse bzw. die Lotsen (es werden 4) kommen schon um 6.30 an Bord und wir wollen nichts verpassen. Diese Lotsen stöhnen - wie erwartet – über den fehlenden Fahrstuhl. Zwei fragen gleich nach ihrer Kammer und - gehen schlafen. Sie haben die zweite Schicht der Revierfahrt. Wir beobachten gespannt die Einfahrt in die Gatun-Schleusen. Vor uns ein HapagLloyd-Containerschiff, wie wir mit Heimathafen Hamburg. Die kleinen Lokomotiven, 4 an jeder Seite, ziehen unseren Koloss scheinbar mühelos von Schleuse zu Schleuse und müssen dabei immerhin 26 m bergauf. Doch wir fahren selbst, lerne ich, die Lokomotiven halten uns mehr in der Spur und jede einzelne kann auch nur ca. 17t ziehen. Fotomotive per excellence!


Einfahrt in die Gatun-Schleusen


in den Gatun-Schleusen, rechts und links
die Schienen der Lokomotiven






eine der Lokomotiven
links sieht man die Trossen,
an denen das Schiff gezogen wird

Auch am Ufer. Da sonnen sich sogar Krokodile, die besser zu erwischen sind, als die Fregattvögel und Pelikane im Flug. Neben den Lotsen laufen jetzt auch noch 24 panamaische Festmacher herum und der Koch hat alle Hände voll zu tun, denn alle kriegen Frühstück. Kurz nach der Schleuse müssen wir zum Missvergnügen des Kapitäns nochmal für 1 ½ Stunden auf Reede. Die gesamte Crew wieder von Bord inklusive Lotsen. Sie haben die Nachtschicht hinter sich und jetzt Feierabend. Wieso die Lotsen für die Zeit noch 2 Kammern benutzen mussten, die der Steward wieder herrichten muß???
Überall am Kanal sind große Erdarbeiten im Gange. Die Biegungen werden begradigt oder der ganze Kanal ein Stück weiter verlegt. Bei Miraflores und San Miguel baut Panama sogar neue Schleusen für die in Breite und Länge wachsenden Schiffe. In den neuen Schleusen werden dann keine Loks mehr eingesetzt, was pro Stück ca. 2 Mio.US$ einsparen soll. Auch die Personalkosten werden sich drastisch verringern, denn auf den in den alten Schleusen eingesetzten ca. 100 Loks sind immer mindestens 2 Mann eingesetzt.
Am Ufer verkehrt die Eisenbahn von Balboa nach Cristobal und umgekehrt. Endlos lange Züge tragen die Container von Schiffen, die zu groß für den Kanal sind, von einer Seite zur anderen. Auch das wohl billiger als die Passage um Kap Horn.


die Eisenbahn entlang des Panama-Kanals

In der letzten Schleuse fährt neben uns ein riesiger Auto-Transporter rein und da wird es sogar bei uns fast dunkel.


der riesige Autotransporter

Der Himmel ist regenverhangen. Aber alles in allem konnten wir uns die letzten Stunden – die wir bis auf die Mahlzeiten – an Deck verbracht haben, an den Schönheiten der abwechslungs-reichen Natur, weiten Seenflächen, engen Kanälen und schroffen Felsen bei gutem Wetter erfreuen, was wohl – laut Aussage unserer Seeleute – nicht unbedingt üblich ist. Da können wir wohl von Glück sagen, dass nur die Wolkenkratzer von Panama-City und die Brücke, über die die Route No. 1 von Alaska bis Feuerland führt, im Dunst versinken. Jetzt ist unsere letzte Etappe angebrochen, eine knappe Woche auf dem Pazifik liegt vor uns.


die Route No. 1 von Alaska bis Feuerland


3.6. auf dem Pazifik
Lesetag bei bedecktem Himmel an Deck. Ein hübscher Käfer leistet uns Gesellschaft und posiert professionell für ein Starfoto. Auch der Abendhimmel ist mehrere Fotos wert, er leuchtet in unglaublichen Farben.




4.6. auf See
Es hat aufgeklart, blauer Himmel und Sonne. Ein bisschen Bewegung neben dem Treppensteigen kann mal wieder nicht schaden, sagen wir uns, und laufen ums Schiff. Fliegende Fische spritzen aus dem Wasser, flüchten vor einem vermeintlichen Feind. Die von unserer Schraube erzeugten Wellen verlieren sich in der endlosen gleichmäßigen Wassermasse des Pazifik. Wir nutzen das herrliche Wetter und ziehen mit unserem Utensilien-Eimer an Deck. Ich habe mir in der Bord-Bibliothek den Spiegel-Bestseller „Vergebung“ von Stieg Larsson ausgeliehen und Kirsten hat eine ihrer Bridge-Bibeln dabei „25 Bridge-Regeln unter der Lupe“ von David Bird. Der Blick zwischendurch auf die öliggraue glatte Meeresoberfläche lohnt sich: eine Delphin-Herde in der Nähe zeigt ihre Kunststücke.
Abends sind wir vom Käptn zum Wein eingeladen mit den deutschen Offizieren und dem spanischen Schiffsmechaniker, der sich seine guten Deutschkenntnisse autodidaktisch beigebracht hat bei seinen Einsätzen auf deutschen Schiffen. Es wird ein netter unterhaltsamer Abend und da wir die Uhr wieder eine Stunde zurückstellen, leidet am nächsten Morgen auch niemand an Schlafmangel. Wir sind nun bis auf eine Stunde an der kalifornischen Uhrzeit.


5.6. auf See
Niemand leidet an Schlafmangel? Kirsten hat zwar das Handy, das als Wecker fungiert, gestellt, aber das Abspeichern vergessen. Na ja, wir können die Stunde tagsüber leicht nachholen. Nach dem Steak und Eis, es ist Sonntag heute, ziehen wir mit den Büchern wieder an Deck, beobachten die Seevögel und die übermütigen Sprünge der uns begleitenden Delphine. Wenn es uns besser ginge, wäre es nicht mehr auszuhalten.


6.6. auf See
Bedeckter Himmel, gut, denn ich war etwas leichtsinnig und fing mir einen leichten Sonnenbrand ein. Am Morgen haben wir zwei dates, eins mit dem Kapitän, der uns die Funktion der Twistlocks erklären will. Endet nicht so ganz zufrieden stellend, besonders bei Kirsten bleibt Klärungsbedarf.


die Erklärung hat irgendwie 
nicht hingehauen!!!

Das zweite mit dem Chief, noch mal kurz das Allerheiligste mit der Kamera aufsuchen. Bei der letzten Führung hatte nur unser inzwischen abgemusterter Tiroler“ den Fotoapparat mit und per e-mail Abzüge versprochen. Aber der Zusage trauen wir nach seinem sang- und klanglosen Abgang nicht mehr so ganz (sorry, Werner, sie sind inzwischen angekommen). Anschließend reicht es gerade noch für eine knappe Stunde an Deck vor dem Mittagessen. Wieder begleiten uns viele Seevögel unbekannter Art und als Highlight schwabbeln ganz in der Nähe zwei Riesen-schildkröten auf dem Wasser. Wir haben wenig Wind und glattes Wasser, da lohnt es sich immer, die Wasseroberfläche im Auge zu behalten.
Nach dem Mittagessen (Sauerkraut und Kassler, für einen Filipino-Koch sicher eine Herausforderung!) machen wir über Satelliten-Telefon eine Reservierung im Marriott-Hotel in Long Beach. Nur noch 3 Tage „Hotel MS ZIM Ontario“, dann wird einer der Jungs unsere 30 Kilo-Taschen wieder die fast 90 Stufen hinunter bis auf’s A-Deck und weiter noch mal wohl 25 die Gangway runterschleppen. Wir bestellen abends schon mal 2 Kisten Bier für die nächste Party der Crew.


7.6. auf See
Nach dem traumhaften Sonnenuntergang vorgestern erleben wir heute Morgen ihren nicht weniger spektakulären Aufgang.


das war der Sonnenuntergang

Wir sind schon um 6 Uhr auf der Brücke, weil wir mit dem ADAC in Hamburg telefonieren wollen, wo es schon 2 Uhr nachmittags ist. Wenn wir in den USA ein Auto über den ADAC mieten, haben wir ein viel umfassenderes Versicherungspaket und eine viel höhere Haftpflichtsumme, keine Selbstbeteiligung und sind auch gegen Diebstahl versichert. Da lohnt sich schon das frühe Aufstehen.
Der Wind frischt auf, Schaumkronen bilden sich. Schon 3 m Welle sagt der erste, der die 4-8 Wache hat. Uns bleibt bis zum Frühstück noch Zeit, „Zeugwäsche“ zu machen, wie das bei der Seefahrt heißt. Das Wasser hat sich auf 20° abgekühlt und es ist durch die Klimaanlage ganz schön kalt in den Kammern. 17° heute Morgen, sagt der Kapitän; das ist nicht nur ihm zu frisch und der Chief kümmert sich gleich nach dem Frühstück um angenehmere Temperaturen. Wir kümmern uns um unsere Wäsche und machen notgedrungen Frühsport. 97 Stufen runter zur „Laundry“, 97 Stufen wieder rauf in unsere „Wohnung“ und das so 3-4 Mal. Trockner füllen, Trockner leeren, Nachtrocknen im saunawarmen Trockenraum, Bügeln – aber dann ist es geschafft.
Hinter uns baut sich ein Cyklon auf mit 85 kn Wind aus SO, NW ziehend, also sozusagen in unserem Kielwasser. Aber wir sind schneller, sagt der 3. Offz., der die 8-12 Wache hat, und lacht. Na, hoffentlich. Noch 2 Tage bis Long Beach. Heute Abend haben wir unseren Kapitän und den Chief auf ein Glas Wein eingeladen und Koch und Steward haben versprochen uns Käse-Häppchen mit Kiwi-Stückchen und Oliven zu servieren.
Der Mechanismus der Twistlocks (halten die Container aufeinander) ist ja immer noch nicht zu Kirstens Zufriedenheit gelöst und sie kriegt vom Kapitän die Erlaubnis, weiterzuforschen. Das lässt sie sich natürlich nicht zweimal sagen. Nachmittags geht’s ins Kabelgatt, wo so ein mysteriöses Teil in den Schraubstock gespannt wird. Ein Filipino-Matrose kommt zufällig vorbei, der einen Hammer zur Werkbank zurückbringt. Er lässt sich zwar nicht anmerken, dass es ihn wohl sehr verwundert und eher unüblich ist, dass hier Passagiere und dazu noch weiblichen Geschlechts einen Twistlock begutachten, aber zwei Minuten später erscheinen ein weiterer Matrose und auch der Bootsmann, um sich das nicht entgehen zu lassen. Aber was der Käptn nicht geschafft hat, der Matrose gibt nicht auf, baut den Twistlock auseinander, zeigt auf die innenliegende Feder und hin und her und her und hin: das Geheimnis wird gelüftet und Kirsten ist endlich zufrieden. Ganz einfach, das Prinzip, ein Schnappmechanismus. Wer es genau wissen will, kann Kirsten jetzt ausgiebig darüber befragen.
Abends gemütliche Runde bei Käsehäppchen. Der Kapitän spielt uns kleine Filme über den Panamakanal und das von dem früheren Passagier gedrehte Video über die „Ontario“ auf unseren Computer. Nur noch zwei Mal schlafen bis zum Abmustern. Uns wird schon ganz wehmütig ums Herz.


8.6. auf See
Letzter Tag an Bord. Draußen ist es ungemütlich und kalt. Nix mehr mit Sonnen an Deck. Lesen, Rummikab spielen und Packen ist angesagt. Der Kapitän bringt die letzte Flasche Wein aus dem Store, an dessen Schwund wir nicht ganz unbeteiligt waren.


9.6. Ankunft Long Beach
Morgens um 7 Uhr Antreten bei der Immigration. Alles ok, unser Visum reicht bis Dezember 2021, so lange wollen wir nicht bleiben. Da wir erst nachmittags unser Hotelzimmer im Marriott beziehen können, dürfen wir noch über Mittag an Bord bleiben. Die „Ontario“ läuft erst um 3 Uhr morgen Früh aus. Unser Kapitän macht vor dem Abschied noch ein Foto von uns und dem Chief für die PAX-Ahnengalerie der „ZIM Ontario“. Wir werden wohl als die „Twistlocks“ in Erinnerung bleiben. Wären sie nicht so schwer, hätte ich gerne einen im Koffer für Kirstens nächsten Geburtstag eingepackt, aber …. Die Lufthansa wird ohnehin bei unserem schweren Gepäck großzügig sein müssen. Nur 23 kg sind noch zugelassen, auch für Seeleute, denen man früher 40 zubilligte und so einen Flug haben auch wir gebucht.
Unser – wie alle Filipinos nicht besonders hochgewachsener – Jun wirft sich diese 23 kg wie nix über die Schulter und transportiert sie 6 Stockwerke tiefer und über die Gangway. Wir sind beeindruckt, denn ich kann meine Tasche kaum anheben. Der Shuttle Bus bringt uns zum Gate und ein Taxi für 40$ zum Marriott Hotel. Wir vermissen schon jetzt unser schwimmendes Zuhause und die lieben Menschen, die uns an Bord so nett aufgenommen haben.

Im Hotel starten wir mit den Planungen für die nächsten 10 Tage in Kalifornien. Eigentlich wollten wir morgen unser Leihauto am Flughafen abholen, aber die mail mit den Unterlagen vom ADAC ist nicht angekommen. Die Dame an der Rezeption gibt uns eine neue mail-Adresse, was bedeutet, dass wir um Mitternacht kalifornischer Zeit in Deutschland (9 Uhr morgens) noch mal beim ADAC anrufen müssen. Erstmal allerdings rufen wir Schwager Dieter in Laguna Woods und Jan Stolzenburg in Huntington Beach an, um die Besuche bei ihnen abzustimmen.
Ein Hotel Shuttle-Fahrer bringt uns um 5 Uhr zur Lakewood Mall und verspricht, uns um 8 Uhr wieder abzuholen. Im Supermarkt „Target“ versuchen wir, Wein und 1 Flasche Sekt zu kaufen, ohne zu ahnen, dass wir dafür unseren Pass hätten mitnehmen sollen. An der Kasse bedeutet man uns – mit Unterstützung der Filialleiterin – ohne amerikanische ID-Card oder deutschen Pass, aus dem das Geburtsdatum offiziell hervorgeht, kein Alkohol! Da kannst Du so alt aussehen wie Du willst: Vorschrift ist Vorschrift! Ich kann es immer noch nicht glauben, nicht mal der Führerschein reichte den Damen. Damit der Unbill nicht genug, der Shuttle Bus versetzt uns und kommt erst auf Anruf eine Stunde später. Der Driver dazu noch unverschämt frech und erst unsere Beschwerde bei der Managerin bringt uns wenigstens eine Entschuldigung. Letzte Enttäuschung dieses Abends: Der Barkeeper hat zwar Chardonnay aber kein Mineralwasser mit Kohlensäure. Mit stillem Wasser schmeckt die Schorle schon ziemlich labberig. Das Landleben fängt ja gut an!
Geschafft und müde kriechen wir dann früh in die Koje, allerdings: Der Wecker klingelt um Mitternacht …!

10.6. Noch Long Beach Marriott Hotel
Alles hat geklappt. Um 11 Uhr holen wir unseren KIA Optima ab und nehmen doch vorsichtshalber den Navigator für 100$ dazu.


unser Leihwagen für die nächsten Tage

Den hätten wir zwar für den Besuch bei Jan Stolzenburg in Huntington Beach nicht gebraucht, seine Wegbeschreibung war excellent, aber hier in Long Beach und bestimmt auch in und zu anderen Orten wird er hilfreich sein. Im „Target“ bekommen wir dann dank Pass, der unsere Volljährigkeit beweist, auch endlich Sekt und Wein und – ganz wichtig – „sparkling water“ für die Schorle. Das ist in amerikanischen Supermärkten offenbar nicht leicht zu finden, denn selbst 2 Verkäufer im „Target“ waren bei der Suche überfordert.
Ich habe seit 2 Tagen immer stärker werdende Schmerzen in der Schulter, selbst die mitgebrachten Diclofenac-Pillen helfen wenig. Helfen tut dann Jan Stolzenburg, bei dem wir den Besuch nach dem Kaffee kurzentschlossen abbrechen und zu seinem Medical-Center fahren, das am Samstag geöffnet ist. Die stellen per X-ray fest: Verkalkung! Das hatte ich früher schon mehrfach. Eine Spritze dürfen sie mir leider nicht geben, aber starke Schmerzpillen. Statt der einen verordne ich mir selbst 2 gleich auf der Stelle und – sie machen zwar high, aber helfen wunderbar. Kirsten fährt uns über die „405“ zurück und ich schlafe durch bis Mitternacht. Da allerdings ist die Wirkung der Wunderpillen zu Ende und ich werfe den ersten noch zwei hinterher. Mein Magen – weiß ich – ist gottseidank – jedenfalls bis jetzt – hart im Nehmen. Da ich sonst keinerlei Medikamente nehmen muß, hoffe ich, es bleibt so.


11./12.6. immer noch Long Beach
Die Rosskur hat gewirkt, meine Schulter ist erheblich besser, nur die Teetasse muß ich noch mit Links heben. Also steht unserer Weiterfahrt nach Süden nichts mehr im Wege. Mal sehen, wo wir heute Nacht bleiben, vielleicht bis San Diego. Wir haben uns den Highway No. 1 ausgesucht und auf der Strecke gibt es so viele Ampeln, dass wir nur bis Laguna Beach fahren. Ein paar Kilometer weiter lebt Schwager Dieter, also ein guter Platz zu bleiben. Es ist Wochenende und herrliches Wetter. Dementsprechend sind viele Strandurlauber unterwegs. Bei der TouristInfo empfiehlt uns Sally ihr favourite Hotel „Tides“ und das ist so entzückend, dass wir umplanen. Wir werden hier die ganze Woche bleiben und nur Tagesausflüge zum 80 km entfernten San Diego etc. machen. Das „Tides“ hat einen Salzwasserpool und eine gemütliche Kaminecke, die eifrig von den Gästen genutzt wird. Hier lernen wir auch ein nettes Ehepaar aus Palm Springs kennen. Sie sind Tiertrainer für Film und Fernsehen und reisen mit zwei ganz lieben Hunden, die vor Hässlichkeit schon wieder schön sind, eine deutsche Dogge und ein Mastino.



Herrchens Vorfahren kommen aus dem Schwarzwald und erinnert noch so manches deutsche Wort. Schwager Dieter kommt aus Laguna Woods herüber und er kennt die guten Restaurants. Vorzügliche Küche und Blick auf’s Meer. Wunderbar.








13.6. Laguna Beach


der Strand von Laguna Beach

Eigentlich war heute San Diego angedacht, aber wir haben verschlafen und werden mit einem sogenannten Transitbus für ein paar Cents durch das interessante Hinterland fahren. Mal die Hügel hinauf wo die Superreichen ihre Millionenvillen haben. Meine Schulter ziept noch etwas, aber dank der Pillen und der Pflege durch „Sister Kirsten Nightingale“ gibt’s keine Probleme. Die Tour durch die Hügel ist eine gute Idee. Der alte Bus ächzt ganz schön die Steigungen hinauf zu den Villen, von denen keine der anderen gleicht. Immer sind sie dem besonderen Platz angepasst und optimal ausgenutzt. In manche Garage möchte ich nicht einparken müssen und unter mancher Terrasse gähnt der Abgrund. Da sollten keine Kinder unbeaufsichtigt spielen.


14.6. San Diego
Unter der Route No. 1 sind wir ja im Panamakanal schon durchgefahren, jetzt geht es auf ihr an den herrlichen Sand- und Surfstränden entlang nach Süden. Da wir S.D. vor wenigen Jahren schon ein paar Tage erkundet haben, fahren wir diesmal nur zum Zoo. Der ist so groß und so interessant, dass wir die geplante Hafenrundfahrt sausen lassen und auf dem Rückweg lieber noch eine Pause im hübschen La Jolla machen. Um die Zeit gibt’s in dem beliebten Touristenort sogar noch freie Plätze im Restaurant mit Meerblick und die Rückfahrt über den Highway ist ohne Feierabendverkehr schnell und problemlos. Runde Füße, Füße hoch, noch eine Schorle und „Gute Nacht“.

einige Bilder aus dem Zoo 



15.6. Laguna Beach
Bummel durch die zahlreichen Boutiquen. Macht großen Spaß. Ich finde einen hübschen Türkis-Ring der Zumi-Indianer und ein Strandkleid. Die Verkäuferin bricht bei jedem Kleid, das ich anprobiere, in begeisterte Zustimmung aus, aber da verlasse ich mich doch lieber auf mein eigenes und Kirstens Urteil.
Abends werden wir von Dieter in ein First Class Hotel direkt am Meer zu einem Geburtstags-Dinner eingeladen. Dieter lässt sich - wie immer – nicht lumpen und alles ist köstlich.
Zurück im Hotel sehen wir noch das Kaminfeuer brennen. Wir setzen uns mit einer Schorle noch zu dem jungen Paar mit Hund „Josefine“ bis der Hotelchef das Tor zur Pool-Area großzügigerweise statt um 10 erst um 11 Uhr schließt.


16.6. Laguna Woods
Diesen Tag hat Dieter für uns reserviert und fährt mit uns zum Lunch in eine Art Stammlokal, wo er früher auch häufig mit meiner leider verstorbenen Schwägerin zu Gast war. Dementsprechend wird er hier auch vom Chef und seiner Frau herzlich begrüßt. Der Chef ist ein ex-Professor, griechischer Abstammung und fast 2 m lang, seine Frau, ist ebenfalls ex-Professorin, italienischer Abstammung und braucht einen Tritt, um über den Tresen zu gucken. Den Nachmittag nach dem vorzüglichen Essen verbringen wir dann auf Dieters Balkon mit wunderbarem Blick auf die Bergkette und haben natürlich jede Menge zu erzählen und in Erinnerungen zu schwelgen.
An die Schorle abends am „Tides fireplace“ können wir uns auch gut gewöhnen.


17.6. Abreise aus Laguna Beach
Morgens schaffen wir es gerade noch, die „Katze mit Mäusen“, ein Kunstwerk aus Stahl von HENRI per Post nach Deutschland zu schicken, denn im Koffer ist definitiv kein Platz. 44$ Frachtporto sind sie Kirsten wert. Dann geht’s nordwärts, „Schleswig goes Hollywood“. Im Gegensatz zu Kirsten war ich noch nie da und wollte immer mal hin. Also los geht’s. Wieder sind wir dankbar für unseren Navigator, er bringt uns bis in die Straße, wo laut Reiseführer die TouristInfo sein soll. Wohl war, denn wir finden sie trotz intensiver Suche nicht. Als wir in einem vornehmen Teppich-Design-Studio nachfragen, empfiehlt uns der „sales-manager“ das Hotel „Chamberlain“ in der Nähe, in dem auch seine Eltern wohnen, wenn sie ihn besuchen. „Nicht so teuer und sehr hübsch“. „Sehr hübsch“ stimmt, „nicht zu teuer“ nicht. Jedenfalls nicht für uns. Na gut, genießen wir mal für 2 Nächte diese edle Herberge.


die Pool-Area auf dem Dach des Hotels


 unser Wohnzimmer, hinter der
spanischen Wand das Schlafzimmer

Der freundliche Rezeptionist beschreibt uns den Weg zum „Beverly Center“, Fußweg ca. 20 Minuten, und nach 45 Minuten sind wir da! Runde Füße, kein Einkaufsbummel wie geplant. Gottseidank ist „Happy Hour“ im Restaurant „601“, da stärken wir uns mit einem Drink für den Rückweg. Das Abendessen im Hotel-Restaurant ist gut, aber allmählich freuen wir uns auf deutsche Küche. Morgen besuchen wir die „Universal Studios“. Ich bin gespannt.


18.6. Hollywood
Unser guter „Garmin Navigator“ führt uns perfekt bis ins Parkhaus der „Universal Studios“.



Ich bin überwältigt von den Ausmaßen und auch Kirsten hat es viel kleiner Erinnerung. Kein Wunder, ihr Besuch ist mehrere zig Jahre her. Wir starten mit einer 45minütigen Train-Tour „Jurassic Park und Universal Studios“, wo alle großen Filme entstanden sind und noch entstehen. Steven Spielbergs Saurier klettern fast in die Abteile und nicht nur die Kinder kreischen bei den echt agierenden Monstern. Beeindruckend die Kulissen für „World War II“: zerstörte Flugzeuge und Straßenzüge wirken sehr echt. Der „weiße Hai“ taucht natürlich auch furchterregend aus den Fluten und die Vorstadtidylle für „Desperate Housewives“ entlockt vielen Kids ein „Ah und Oh“. Die wird ja nun in Zukunft verwaisen, habe ich gerade der Zeitung entnommen, nur 12 Millionen Zuschauer lohnen die Produktion nicht mehr.

verschiedene Film-Kulissen


Hochinteressant ist dann auch die Show der „Special Effects“, die die Tricks der optischen Täuschungen aufdeckt. Leider muß man überall lange in der Schlange anstehen oder man zahlt einen VIP-Preis von 50$ zusätzlich auf das sowieso schon teure 77$ Ticket. Selbst an der Grillbude steht man bis zu 20 Minuten, allerdings ist heute Samstag. Wir kommen begeistert mit runden Füßen in unser VIP-Hotel zurück und wollen uns eigentlich auf der Dachterrasse am Pool einen Sundowner gönnen, aber „Happy Hour“ ist vorbei und so verlangt man stolze 12$ plus 10% tax on top. Jetzt werden wir geizig und öffnen unseren mitgebrachten 11$ Prosecco aus der Foodhall. Langsam wird es Zeit, sich um den Rückflug zu kümmern, aber nach mehreren vergeblichen Versuchen, das per Telefon zu erledigen, geben wir es auf, die Eincheckzeit in Erfahrung zu bringen. Wir werden einfach sehr rechtzeitig hinfahren und sehen, was geht.



19.6. Abreise aus USA
Wir haben uns entschieden, samt Gepäck erst noch nach Santa Monika zu fahren und das lohnt sich. Auf der langen Promenade ist Leben und Treiben. Alle Geschäfte sind geöffnet und Kleinkünstler, Streetdancer und Artisten unterhalten die Passanten.


Fußgängerzone in Santa Monica

Beim großen Nordström-Einkaufzentrum bietet die Dachterrasse für jeden Geschmack eine riesige Auswahl an Restaurants, Cafés etc. Um 4 Uhr nachmittags sind wir um Stunden zu früh am Flughafen, aber man weiß ja nie, wie lange die Abfertigung nach 9/11 dauert. Die Suche nach einer deutschen Zeitung scheitert in diesem großen LA-International Airport genauso wie die nach einem Briefkasten, geschweige denn, dass es eine Post gibt. Und wo lasse ich nun meine letzten Kartengrüße, frage ich die Serviererin im Café? Fragen Sie Ihre Fluggesellschaft, lautet die Antwort und wahrhaftig nimmt die Lufthansa-Angestellte meine Karten mit. Macht sie dauernd, sagt sie!
Unser Airbus A 340-600 ist recht komfortabel und selbst ich kann auf dem Rückflug ein bisschen schlafen.


unser Airbus, der uns zurück nach
Deutschland bringen soll

Die Toiletten sind „im Keller“ und im Raum davor kann man sich auch mal die Füße vertreten. Das habe ich auch noch nicht erlebt. In München kriegen wir gerade noch den Anschlussflug nach Hamburg, weil wir 20 Minuten Verspätung haben und nach 13 Stunden Flug hat uns die Heimat wieder. Es war eine wunderbare Reise, sind wir uns einig.

Also, das war’s mal wieder in „Länge“, geht ja bei mir nicht anders, wie Ihr wisst.

Das nächste „Logbuch“ wird nach unserem Segeltörn in Finnland in Angriff genommen. Bis dahin seid Ihr vielleicht mit diesem durch oder Ihr wartet mit dem Lesen bis zu den dunklen Wintertagen.

Es grüßen Euch
Christel und Kirsten   

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